Dienstag, 4. Dezember 2018

[ #schulgeschichte ] Das ABC oder Namenbüchlein der Landschulen in den kaiserlich-königlichen Staaten aus dem Jahre 1785


Die Unterrichtspflicht wurde von Maria Theresia am 6. Dezember 1774 für Österreich und die unter habsburgischer Herrschaft stehenden Länder durch Unterzeichnung der „Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt und Trivialschulen in sämtlichen Kayserlichen Königlichen Erbländern“ generell eingeführt.

Die Mär von der Vorreiterrolle Österreichs. Damit wurde eine sechsjährige Unterrichtspflicht in der Volksschule durchgesetzt, es mussten fortan einheitliche Lehrbücher verwendet werden, und die Lehreraus- und -fortbildung wurde geregelt. Die Bildung der Frauen wurde vernachlässigt. Fach- oder Mittelschulen waren für sie geschlossen.

Entgegen der Mär von der ersten Schulpflichteinführung durch die Kaiserin Maria Theresia führte das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken unter dem zum Calvinismus konvertierten Johann I. 1592 als erstes Territorium der Welt die allgemeine Schulpflicht für Mädchen und Knaben ein, Straßburg folgte schon 1598. Preußen folgte 1717 mit einer Unterrichtspflicht, aber keiner Schulpflicht. In Norwegen entstand das Volksschulwesen bereits durch eine Verordnung von 1739.

Das erste Land mit gesetzlich geregelter allgemeiner Schulpflicht war Liechtenstein. Liechtenstein kennt das Recht und die Pflicht auf Bildung durch die Institution Schule seit dem Erlass von Fürst Johann I.im Jahr 1805. Als ausrückliches Schulgesetz wurde es schließlich bereits am 5. Oktober 1827 im Namen des erwähntenFürsten Johann I. in Kraft gesetzt. Die allgemeine Schulpflicht gilt als eine Errungenschaft Liechtensteins auf dem Weg zum modernen, demokratischen Staat.

Vor dem Jahre 1774 war die Bildung in den österreichischen Erblanden den oberen Gesellschaftsschichten vorbehalten. Sie war vor allem Aufgabe der Kirche, Klosterschulen waren die einzigen Bildungseinrichtungen. Vor allem die Orden der Benediktiner, Jesuiten und Piaristen übernahmen diese Aufgabe. Da in diesen Einrichtungen in der Regel Schulgeld zu bezahlen war, blieben besonders Leibeigene auf dem Land und die ärmeren städtischen Bevölkerungsschichten weitgehend ungebildet und konnten meist nicht lesen und schreiben. Die älteste heute noch bestehende Schule Österreichs ist das Stiftsgymnasium Melk, im 12. Jahrhundert als Klosterschule gegründet.
Das vorliegende Büchlein stammt also aus einer Zeit, 10 Jahre nach der Einfhrung der Schulpflicht. Der wesentliche Teil des "Unterrichtswerkes" bleibt allerdings auf den römisch-katholischen Katechismus beschränkt.
Schule als Kriegswirtschaft. Mit Inkrafttreten des Reichsvolksschulgesetzes im Jahre 1869 wurde die Unterrichtspflicht von sechs auf acht Jahre ausgeweitet. Das war eine Konsequenz der Niederlage in der Schlacht bei Königgrätz, welche auf eine zu hohe Analphabetenrate im österreichischen Heer zurückgeführt wurde. Es vereinheitlichte für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder das Schulwesen in Österreich stark:
  • Die Unterrichtspflicht wurde von sechs auf acht Jahre verlängert. Pflichtbildung war ab diesem Zeitpunkt die achtjährige Pflichtschule.
  • Die Begrenzung der Klassengröße auf maximal 80 Schüler, was pädagogisch gesehen ein enormer Fortschritt war. 
  • Der endgültige Entzug der Bildungsaufsicht durch die Kirche; damit wurde Bildung komplett dem Staat unterstellt.
  • Als Alternative konnte nach fünf Jahren Volksschule eine dreijährige Bürgerschule absolviert werden. Diese konnte auch von Mädchen besucht werden, wo sie jedoch nach einem anderen Lehrplan (weniger Arithmetik und Geometrie, dafür Handarbeiten) unterrichtet wurden.
Mädchen- und frauenfeindlich. 1868 wurde die erste Mittelschule für Mädchen eröffnet, eine Handelsakademie, ab 1869 wurden Bürgerschulen Mädchen zugänglich. Ab diesem Zeitpunkt entstanden immer mehr Mittelschulen für Mädchen oder Frauen. Ab 1872 konnten auch sie maturieren, waren allerdings nicht zu einem Hochschulstudium berechtigt. Nach Widerständen des damaligen Unterrichtsministers wurde das erste Mädchengymnasium erst 1892 gegründet, als es bereits 77 Knabengymnasien gab.

Seit 1901 durften Maturantinnen auch bestimmte Universitäten besuchen – die philosophische und medizinische Fakultät. 1910 wurde an Knabengymnasien ein Mädchenanteil von 5 % zugelassen. Die Mädchen durften zwar im Unterricht anwesend sein, jedoch weder aktiv daran teilnehmen noch geprüft werden.

Reformwege. 1918 wurde unter dem Sozialdemokraten Otto Glöckel endlich eine entscheidende und bis heute gültige Schulreform umgesetzt. Nach den Nationalratswahlen, bei denen die Sozialdemokratische Partei die Mehrheit im Parlament hatte, wurde Glöckel Unterstaatssekretär im Innenministerium, was der Funktion des heutigen Bildungsministers entspricht. Glöckel begann die Bürokraten, die die Entscheidungen im Schulwesen bis dahin trafen, durch pädagogische Fachleute zu ersetzen. Für die Reformen im österreichischen Schulwesen setzte Glöckel die Schulreformkommission ein.

Faschismus. Das austofaschistische System und der Nationalsozialismus brachten wieder Rückschritte, ganz besonders für die Mädchen. Schon davor wurden Frauen weitgehend von der Unterrichtstätigkeit durch das "Lehrerinnenzölibat" ausgeschlossen.

Nachkriegsgeschichte. 1962 gab es eine erste Schulnovelle. In dieser wurde die Unterrichtspflicht auf neun Jahre verlängert. Zur Ausbildung zum Lehrer ist der Besuch einer pädagogischen Akademie notwendig. Die zweite Schulnovelle kam 1974 unter der Regierung Kreisky endlich zustande. Mit ihr trat das heute noch gültige Schulunterrichtsgesetz (SchUG) in Kraft. 

Neuerlicher Stillstand. Eigentlich merkwürdig, dass in einer Zeit, in der sich so gut wie alles änderte, die österreichische Schule nur vergleichsweise wenigen Änderungen unterworfen war. In der Zeit seit etwa 1970 erhöhte sich zwar die Zahl der Lehrer enorm, sank aber zu Beginn des neuen Jahrtausends, in der Zeit zwischen 2001 und 2008 wieder recht drastisch um ~ 5000 Lehrpersonen ab. Die österreichische Bildungsministerin in dieser Zeit war die Vorarlberger Politikerin Elisabeth Gehrer.

 [Schülerclub  #Dornbirn ]

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